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Presseinformation des Wasser- und Schifffahrtsamts Bingen vom 26.08.2014
Vor 40 Jahren: Ausbau des „Binger Lochs“
Am 5. September 2014 jährt sich zum 40. Mal der Abschluss der Arbeiten zum Ausbau des „Binger Lochs“. Am 05.09.1974 übergab der damalige Bundesminister für Verkehr Kurt Scheidle in einem feierlichen Akt der Schifffahrt die neue, durchgehend 120 m breite Fahrrinne im Rhein zwischen Assmannshausen und Bingen. Für die Rheinschifffahrt war dies im Wortsinn ein Durchbruch und machte den Rhein als Wasserstraße langfristig zukunftsfähig.
Das Ereignis markiert einen Höhepunkt in der langen Geschichte der wasserbaulichen Arbeiten am Rhein, mit denen der Strom abhängig von den jeweiligen technischen Möglichkeiten an die Erfordernisse der Zeit angepasst wurde. Dabei wurden immer nicht nur die Belange der Schifffahrt sondern auch die Belange von Hochwasserschutz, Landschafts- und Naturschutz berücksichtigt und gewahrt.
Der Name „Binger Loch“ geht zurück auf eine schmale Öffnung in einem bei Rhein-km 530,7 quer durch den Rhein laufenden Felsenriff. Diese erste, rund 7 m breite Lücke im ursprünglich durchgehenden Riff war bereits im 17. Jahrhunderts auf Veranlassung des Frankfurter Handelshauses von Stockumunter Leitung niederländischer Ingenieure geschaffen worden. Frühere Versuche im 8./9. und 11. Jahrhundert waren erfolglos geblieben, da noch kein Schießpulver zur Verfügung stand.
Außer bei besonders hohen Wasserständen konnten Schiffe das Riff nun passieren – allerdings nur durch das enge „Binger Loch“. Dieser Ort war über Jahrhunderte als gefährlichsteEngstelle für die Schifffahrt auf dem Rhein bekannt und historische Quellen berichten von den großen Schwierigkeiten, Anstrengungen und Risiken, mit denen die Passage der Engstelle verbunden war. Auch viele schwere Unglücke ereigneten sich hier.
Mit dem beginnenden Industriezeitalter wuchsen die technischen Möglichkeiten und die preußische Regierung ließ zwischen 1830 und 1832 das „Binger Loch“ auf rund 23 m verbreitern – hiervon zeugt in unmittelbarer Nähe der Gedenkstein an der Bundesstraße B9 zwischen Bingerbrück und Trechtingshausen.
Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse folgten zwischen 1860 und 1873, als man auf der linken Stromseite eine weitere Durchfahrtsöffnung anlegte und sie durch ein ca. 1 km langes Parallelwerk gegen das Riff abtrennte. Damit wurde ein zweites Fahrwasser geschaffen. Das alte rechtsrheinische „Binger Loch“ wurde für die Bergfahrt genutzt, das neue „zweite Fahrwasser“ für die Talfahrt. Die Überlegungen zur Vergrößerung des „Binger Lochs“ gingen weiter und mündeten 1894 in dessen Erweiterung auf 30 m Breite und einer deutlichen Vertiefung.
Abgesehen von vereinzeltenMaßnahmen zur Verbesserung der Verhältnisse im zweiten Fahrwasser blieb der 1894 erreichte Zustand bis 1966 erhalten. Nach langen Voruntersuchungen begann damals der bis dahin umfassendste Ausbau der Binger-Loch-Strecke, der in der Fertigstellung der durchgehend 120 m breiten Fahrrinne am 05.09.1974 gipfelte.
Die Arbeiten bestandenim Wesentlichen aus der weitgehenden Beseitigung des bei Rhein-km 530,7 quer zum Fluss verlaufenden Felsenriffs und der Vertiefung der ober- und unterhalb anschließenden felsigen Rheinsohle. In 8-jähriger Bauzeit wurden zwischen Bingen und Assmannshausen über 520.000 Quadratmeter Rheinsohle bearbeitet und ca. 60.000 Kubikmeter Fels beseitigt. Zur Verfüllung übertiefer Bereiche wurden außerdem ca. 76.000 m. Wasserbausteine in den Rhein eingebaut.
Nach Abschluss der Baumaßnahmen zeigte sich allerdings, dass der Wasserspiegel oberhalb des „Binger Lochs“ infolge der Maßnahmen stärker abgesunken war, als vorher im Rahmen der hydraulischen Untersuchungen abgeschätzt worden war. Deshalb wurden Nachregulierungsarbeiten erforderlich. Bis 1992 folgten aufwändige Untersuchungen und ein schwieriges Genehmigungsverfahren, bevor 1995 die Nachregulierung abgeschlossen wurde. Sie führte zur heutigen Gestalt des Rheins bei Bingen mit dem langgestreckten Parallelwerk und dem S-förmigen Querwerk am Nahegrund.
Die vergangenen 40 Jahre haben gezeigt, dass die wichtigsten Ziele des damaligen wasserbaulichen Großprojektes erreicht wurden. Die Sicherheit und die Leichtigkeit des Schiffsverkehrs wurdendurchden Ausbau der Binger-Loch-Strecke um ein Vielfaches gesteigert, wobei die Hochwassergefahr für die Städte und Gemeinden am Rheinufer nicht erhöht und der Reiz der Mittelrheinlandschaft erhalten wurde.Trotzdem ist der Rhein zwischen St. Goar und Budenheim nach wie vor die nautisch schwierigste Strecke und der Rheinabschnitt mit der geringsten Fahrrinnentiefe.